Diesen Brief habe ich verfasst, nachdem mit eine wirklich nette Dame vom Ordnungsamt untersagen musste, dass ich Straßenmusik mache. Der Brief wurde an 16 Stellen im Rathaus geschickt. Ich bin gespannt wie es ausgeht.

Hier der Brief:

Hallo liebe Ludwigsburger Gesetzeshüter, Entscheidungsträger und Bürgermeister,

mein Name ist Patrick Miller. Ich war ca. 23 Jahre beim Spielmanns- und Fanfarenzug Ludwigsburg. Die letzten Jahre war ich Tambourmajor. Leider musste ich mich nach dieser langen Zeit von meinem Verein trennen.

Da ich mit Leib und Seele Ludwigsburger und Musiker bin musste ich mir etwas Neues einfallen lassen. Das jährlich stattfindende Straßenmusikfestival hat mich überzeugt, dass diese Art der Musik genau das richtige für mich ist. Als Multiinstrumentalist habe ich die Fanfare in die Ecke gestellt und gegen Gitarre, Cajon, Nasenflöte und Kazzoo getauscht. Leider bin ich zwar vom Klang her mit einer ganz OKen Stimme ausgestattet, allerdings liegt meine Stärke eher bei den leisen Tönen, statt bei einer brachialen Lautstärke. Wenn ich also jetzt so da sitze und Musik machen möchte, sieht das zwar echt cool aus, leider versteht man mich aber nicht.

Eine Lösung war recht schnell gefunden. Ein Roland Street Cube, also ein klitze kleiner Akkuverstärker, der dazu da ist, dass mein Auftritt nicht nur schick aussieht, sondern auch noch gut klingt.

Die ersten zwei Auftritte haben gezeigt, dass meine Straßenmusik sehr gut ankommt und sich die Leute nicht von mir gestört fühlen. Überall lächelnde Gesichter und freundliche Menschen. Und das ist genau das worum es mir geht. Den Menschen ein kleines Lächeln ins Gesicht zu zaubern und in unserer wunderwunderschönen Stadt Musik machen.

Leider wurde ich gestern darauf hingewiesen, dass meine Art der Musik nicht gestattet ist. Vielen Dank noch einmal an Ihre Mitarbeiterin. Sie hat gewartet bis ich mit meinem Lied fertig war und kam dann freundlich auf mich zu.

Um eine Lösung zu finden habe ich einige Vorschläge ausgearbeitet.

Vorschlag 1: Sie senden mir eine E-Mail, die ich mir in goldenen Lettern ausdrucken werde, aus der hervor geht, dass es mir gestattet ist, meine leider zu dünne Stimme aufzupeppen und dafür ein klitzekleines Bisschen Hilfe von meinem Street Cube zu bekommen (das Gerät hört auf den Namen Street Cube, ist also geradezu prädestiniert um auf der Straße eingesetzt zu werden). Dieses Schreiben werde ich immer am Herzen tragen und den netten Damen vom Ordnungsamt, die um Ordnung, Sauberkeit und eine akzeptable Lautstärke bemüht sind aushändigen, wenn sie meine fast schon leise, jedoch etwas verstärkte Lautstärke verleisern wollen.

Vorschlag 2: Ich spiele in Zukunft unverstärkt. Nun – auf unsere Stadt wirft das dann ein unglaublich schlechtes Bild, weil ich unglaublich unausgewogen klinge, sodass sich jeder Tourist, der unsere wunderwunderwunderschöne Stadt besucht, fragen muss, warum das Ordnungsamt diesen Störenfried nicht sofort entfernt und jeder Ladenbesitzer aus seinem Eingang brüllt: „VERSCHWINDE DU ARSCH!“

Vorschlag 3: Ich besorge mir Im Kostümgroßhandel einen Pyrenäen-Musiker-Dress aus Alpakawolle und eine schwarze Langhaar Perücke. Dazu noch schwarze Flip-Flops aus alten Traktorreifen und Holzschmuck aus nicht kontrolliert nachwachsenden Baumbeständen. Dann lasse ich mir von der UNESCO ein Zertifikat ausstellen, dass ich zum Weltkulturerbe zähle und nicht vertrieben werden darf, da ich eine politische Minderheit bin. Auf die zusätzliche Umweltbelastung, die mein Aggregat erzeugt, da die zwei 500 Watt Aktiv-Boxen betrieben werden müssen, gehe ich jetzt nicht ein.

Vorschlag 4: Da die Einschränkung sicherlich dazu da ist, um unsere Ortsansässigen Ladenbesitzer vor massiver Geräuschbelästigung zu schützen, würde ich Ihnen hier gerne eine weitere Lösung anbieten. Wenn Sie es wünschen, gehe ich in jedes Geschäft in Ludwigsburg, spiele vor und lasse mir schriftlich geben, dass ich niemanden mit meiner etwas verstärkten, jedoch sehr sehr schönen Musik störe. Wenn es jemanden stört, werde ich mich hüten, in dieser Gegend noch einmal aufzutreten.

Nur eins: Ich hatte gestern meinen zweiten Auftritt und schon kam der KabelBW Mann angerannt und hat mich auf meinen ersten Auftritt angesprochen. Also nicht: „Verschwinde du Arsch!“ sondern eher in die Richtung: „sehr gut was du da machst. Ludwigsburg kann sehr stolz darauf sein, dass jemand wie Du die Innenstadtauf so schöne Art und Weise belebt!“. Sogar die nette Dame vom Ordnungsamt hat gesagt: „Super Sound, aber leider ist elektrische Verstärkung nicht erlaubt!“ Ich denke sogar, dass ich eine Träne der Trauer im Augenwinkel erblickt habe, weil mich die nette Dame dazu bringen musste aufzuhören und abzubauen. Lange Rede kurzer Sinn. Ich würde Ihnen von jedem Laden eine Einverständniserklärung vorlegen, dass ich niemanden störe.

Vorschlag 5: Ich gründe einen Verein oder Club, kaufe mir einen peinlich bunt bedruckten Pavillon und melde täglich einen Infostand mit Beschallung an. Die Beschallung übernehme ich als Vereins- bzw. Clubvorsitzender persönlich. Hier würden die Touristen, die unsere wunderwunderwunderwunderschöne Stadt besuchen sagen: „Die Musik ist ja echt super, aber was soll der beknackte peinlich bunt bedruckte Pavillon?“.

Frage1: Wenn ich nur unverstärkt spielen darf, darf ich dann alles unverstärkt spielen? Wie eingangs erwähnt bin ich Multiinstrumentalist. Ich spiele also nicht nur Gitarre, Cajon, Nasenflöte und Kazzoo, sondern auch Schlagzeug, Posaune, Trompete und vieles andere. Wäre es rein rechtlich ok, das ich mich hin setze und stupide 30 Minuten lang auf eine Trommel schlage? Vielleicht erkennen Sie worauf ich hinaus möchte. NEIN! Ich möchte Ihnen nicht drohen, sondern Sie auf eine eklatante Gesetzeslücke hinweisen.

Wir Straßenmusiker haben sehr viel geübt und uns auch etwas dabei gedacht als wir uns unsere Verstärker gekauft haben. Mit viel Liebe zum Detail haben wir unsere Performance  einstudiert. Wir sind im Normalfall keine Krawallnudeln die nur Krach machen wollen, sondern sind Musiker die es wirklich unglaublich toll finden und genießen eine direkte Rückmeldung vom Publikum zu bekommen. Können Sie sich vorstellen was es für ein schönes Gefühl ist, wenn Leute an einem vorbei hetzen wollen und dann doch stehen bleiben um ein Lied anzuhören. Sie  würden mich verstehen, wenn Sie die Gesichsausdrücke der Menschen sehen würden. Wir sind eine kleine Insel der Entspannung und Erholung in einem Meer aus Stress und Hektik.

Weitere Fragen:

1.Was für Konsequenzen habe ich zu erwarten, wenn ich weiterhin Straßenmusik mache?

2.Ändert sich die Regel, wenn ich nach Ladenschluss spiele?

3.Gilt die Regel nur für die Innenstadt oder auch etwas außerhalb wie z. B. die Bärenwiese usw.?

4.Gibt es Veranstaltungen die es mir erlauben verstärkt zu spielen? Antikmeile, Venezianische Messe, verkaufsoffene Sonntage etc.?

5.Gibt es die Möglichkeit meine Straßenmusik offiziell anzumelden? Ich komme gerne jederzeit vorbei um Ihnen ein kleines Ständchen zu spielen (vielleicht mogle ich mich einfach einmal vors Standesamt und spiele nach einer Hochzeit im Eingangsbereich Halleluja [die coole Version – nicht die schnulzige Leona Lewis, oder wer das singt])

Ludwigsburg ist die Stadt des Straßenmusikfestivals. Dort können Sie sehen wie wir Ludwigsburger zur Straßenmusik stehen.

Ludwigsburg ist eine Stadt der Kunst und Kultur.  Bitte, bitte enthalten Sie unserer schönen Fußgängerzone diese liebevolle und leidenschaftliche Art der Kunst nicht vor.

Hier mein Letztes Vorschlag: Da ich nirgends etwas gefunden habe, dass ich nicht verstärkt spielen darf, könnte ich dieses Schreiben als schriftlichen Einspruch werten und quasi als schwebendes Verfahren, bis ich schriftlich bekomme, dass ich nicht verstärkt spielen darf. Solange ich also keine negative Antwort von Ihnen erhalte, fühle ich mich im Recht und mache weiterhin (leise) verstärkt Musik. Wäre das etwas?

BITTE: ANTWORTEN SIE NICHT AUF MEINE MAIL! Wenn dann positiv. Ich werde alles tun um weiterhin in Ludwigsburg auftreten zu können. Wenn Sie etwas von mir verlangen, werde ich es bringen. Gerne spiele ich Ihnen vor. Eine Ihrer netten Damen vom Ordnungsamt darf sich gerne zu mir stellen um lachende und verärgerte Gesichter zählen. Ich bin einer von den guten, der unsere Stadtpositiv belebt. In München z. B. müssen Straßenmusikanten vorspielen und bekommen eine Erlaubnis. In Mannheim ist Straßenmusik generell verboten. Jetzt vergleichen Sie einmal, welche Fußgängerzone die schönere ist… Meiner Meinung nach liegt das ausschließlich an der Straßenmusik.

Bitte geben Sie mir diese Chance! Ich spiele auch jeder der netten Damen vom Ordnungssamt ein gratis Geburtstagsständchen.

DANKE

Nille foor de Houden